Eine City-Seelsorge in St. Klara­

St. Klara­ – frühgotische Kirche

Am Eingangstor zur Nürnberger Altstadt gelegen, ist die Klarakirche eine Oase mitten im Trubel der City. Die schlichte Kirche wurde 1274 geweiht. 2007 wurde St. Klara­ generalsaniert und zu einer offenen Citykirche umgestaltet. Schon immer wurde die Kirche als Andachtsraum von vielen geschätzt. Seit der Sanierung kommen noch mehr Menschen zum Beten, Stillwerden, Besichtigen, Feiern und um Gemeinschaft zu erleben.

St. Klara­ – Sitz der Offenen Kirche

St. Klara­ ist keine Kirche für einen fest umrissenen Pfarrbezirk, sondern Citykirche – offen für alle. Unabhängig von Religion, Kirchenzugehörigkeit oder sozialem Status ist hier jeder willkommen. Mit zeitgemäßen Gottesdienstformen spricht die „Offene Kirche St. Klara­“ Menschen in ihrer Sehnsucht nach Spiritualität an. Mehr als 100 spirituelle und kulturelle Veranstaltungen stehen pro Jahr im Programm.

Ursprünglich, in der Antike, war das Christentum eine reine Stadtreligion. Doch seit geraumer Zeit haben die Kirchen die Chancen einer Seelsorge in den Geschäfts- und Kulturzentren heutiger Innenstädte wieder entdeckt. In Jahr 1996 startete der Jesuitenpater Karl Kern das Projekt einer Nürnberger Cityseelsorge an der dortigen Klara-Kirche. Seit Herbst 2003 arbeitet Pastoralreferent Jürgen Kaufmann daran mit. Programm und Konzept der „Offenen Kirche St. Klara­“ werden kontinuierlich weiterentwickelt. Seit Ende 2007 nun präsentiert sich St. Klara­ nach einjähriger Umbauphase in neuem Gewand.

In den Zentren der großen Städte zeigt sich der Zustand einer Gesellschaft wie unter einem Vergrößerungsglas. Hier spielt sich ein Stück pastorale Zukunft ab. Innenstadtkirchen sind deshalb besonders herausgefordert, auf die Zeichen der Zeit zu antworten: Mit zunehmender Vereinzelung und Komplexität wächst das Bedürfnis, in überschaubaren Räumen eine Wahlheimat zu finden. Die Kirchen leeren sich, vor allem die junge und mittlere Generation bleibt weg. Gleichzeitig ist die religiöse Sehnsucht überall mit Händen zu greifen. In den Zentren verschiedener Großstädte wurden und werden Modelle entwickelt, die der „Herausforderung Großstadt“ begegnen sollen.

In Nürnberg, einer Stadt mit rund 500 000 Einwohnern inmitten eines Ballungsgebietes von 1,5 Millionen Menschen, legte es sich ebenfalls nahe, ein Projekt der Citypastoral aufzubauen. Die katholische Kirche St. Klara­ bot sich für das Experiment einer „Offenen Kirche“ an. Sie war nie Pfarrkirche und liegt zentral. Wer vom Nürnberger Hauptbahnhof in die Altstadt geht, kommt nach fünf Minuten an St. Klara­ vorbei. Zehntausende strömen täglich durch die angrenzende Königstraße. In diesem Gewoge liegt die ehemalige, über 700 Jahre alte Klarissenkirche mitten in der modernen Brandung. Man muss sich ein paar Schritte vom dahinziehenden Menschenstrom wegbewegen, um in den schlichten und schönen Raum einzutreten. Von außen wirkt St. Klara­ klein und unscheinbar. Innen weitet sie sich unter einem mächtigen Tonnengewölbe. Der überschaubare Kirchenraum zieht in seinen Bann – er verleitet nicht zum musealen Schlendern.

Verschüttete religiöse Dimension des Lebens

In St. Klara­ lässt sich der Besucher nieder. Er wird von einer sakralen Atmosphäre empfangen: Das „Kirchlein“ St. Klara­ soll als Raum des Innehaltens, des Schweigens, des Gebetes wahrgenommen werden. Wer hier eintritt, spürt: Hier ist „heiliger Boden“, ein Raum, der das Alltägliche unterbricht. In diesem Kirchenschiff kann sich – wenn auch nur für Augenblicke – die oft verschüttete religiöse Dimension des Lebens wieder melden. Der Kirchenraum entfaltet aus sich seine Wirkung. Inmitten der hektischen Großstadt plötzlich in einen Raum der Stille zu treten, wird von vielen Besuchern sichtlich als Wohltat empfunden. Zwischen Dauerberieselung und Kommerzialisierung können sich offene Gotteshäuser für Kirchenferne und Kirchennahe so zu einem Ort heilsamer Gegenkultur entwickeln. Ein Raum der Stille genügt; die Würde des Raumes steckt an.

Es braucht bestimmte Punkte der Sammlung und der Andacht. In St. Klara­ ist das zunächst der ebenso futuristische wie meditative Eingangsbereich mit der Marienstatue. Jung und alt zünden hier Kerzen an. Im Hauptschiff fällt sofort der schlichte, klare Altarblock aus Muschelkalk als Zentrum ins Auge. Auch die Trauerwand vor dem rechten Seitenaltar am Chorraum lädt zum Innehalten ein. Als ehemalige Klarissenkirche ist St. Klara­ von jeher karg ausgestattet. Der Umbau, der im Zeitraum zwischen Oktober 2006 und Dezember 2007 unter der Regie der Architekten Brückner & Brückner stattfand, hat dies ganz bewusst noch verstärkt. Das kommt heutigem Lebensgefühl entgegen und bietet den Vorteil, den „Offenen Raum“ weiterführend zu nutzen: So finden seit einiger Zeit regelmäßig einmal pro Monat Taize-Nächte statt. Während der Fasten- und Adventszeit lädt der Raum für eine Weile bei ruhiger Musik und kurzen Textimpulsen zum Nachsinnen ein. Den Offenen Raum kultiviert auch die „Stille Offene Abendkirche“ im Sommer an jedem Samstagabend bis 23 Uhr bei Kerzenlicht und Hintergrundmusik.

Liturgie für Stamm- und Zufallsgäste

Eine grundlegende Erfahrung der katholischen Cityseelsorge ist, dass neben den offenen Räumen gleichberechtigt eine gut gestaltete Liturgie ihre Ausstrahlung hat. Sie muss regelmäßig zur selben Zeit stattfinden. Dort, wo Menschen vorbeieilen und überhaupt alles in Bewegung ist, muss jedem ins Auge springen: Hier ist immer Gottesdienst. Zufallsbesucher werden aufmerksam, Arbeitspausen werden entsprechend eingeteilt, Einkäufe oder Erledigungen in der Stadt können sich nach diesem Fixpunkt richten. Die Mittagszeit oder der frühe Abend legen sich nahe. In St. Klara­ versammelt sich von Montag bis Samstag um 17.45 Uhr eine Gottesdienstgemeinde. Besucherinnen und Besucher, deren Zahl je nach Tag zwischen 80 und 250 liegt, erwartet eine meditativ gestaltete Eucharistiefeier mit Kurzansprache, am Samstag mit längerer Predigt.

Regelmäßige Kirchgänger mischen sich mit Passanten und Schnuppergästen. Menschen, die sich zaghaft der Kirche nähern, finden einen überschaubaren Raum, in dem ihr Gesicht wahrgenommen wird. Auf den Neuling überträgt sich ein Gefühl von Gemeinschaft, aber er fühlt sich nicht vereinnahmt. Das Maß von Nähe und Distanz bestimmt jede und jeder selbst. Die soziale Spannweite reicht von Obdachlosen bis zu Wohlsituierten; psychisch beschädigte Menschen haben Heimatrecht. Sie treffen auf Gläubige, welche die ganze Bandbreite des kirchlichen Spektrums abdecken. Eine ganze Reihe von evangelischen Christen fühlt sich selbstverständlich zugehörig. Ausgetretene oder Nichtgetaufte schauen sich unverbindlich um, wie eine katholische Liturgie vor sich geht. Die „Stammgäste“ kennen sich. Es wachsen Beziehungen, ein Stück geistlicher Heimat ist entstanden. Es kommt gar nicht selten vor, dass Zufallsgäste wieder und wieder auftauchen, das Gespräch suchen und den Weg in die Kirche zurückfinden, häufig bis hin zum formellen (Wieder)Eintritt.

Besinnliches im Schutz der Dunkelheit

Jeden ersten und dritten Sonntag im Monat findet um 11.15 Uhr ein Gottesdienst für Eltern und Kinder statt. Kinder stehen im Mittelpunkt dieser Eucharistiefeier, in der sie viel Freiraum haben. Für viele Eltern ist diese ungezwungene Form des Gottesdienstes eine Möglichkeit, sich selbst der Kirche zu nähren. Jeden Sonntagabend bietet St. Klara­ das „SonntagAbendMahl“ an, eine Spätmesse um 20.30 Uhr. Diese Abendmesse mit ihren schlichten, stärker das heutige Lebensgefühl ansprechenden Elementen (Neues Geistliches Lied, Kommunion unter beiderlei Gestalten, Möglichkeit, um den Altar zu stehen u.a.), kommt dem Bedürfnis nach der besinnlichen Stunde zum Ausklang des Wochenendes entgegen. Im Schutz der Dunkelheit, etwas abseits vom Wohnviertel, wagen es manche eher, mal (wieder) in einen Gottesdienst zu gehen. Bis zu 170 sind es häufig. Viele von ihnen bleiben anschließend noch beisammen: Im hinteren Raum der Kirche wird an Bistrotischen Tee und Gebäck angeboten – Zeit für Gespräche. Natürlich wäre es schön, wenn viele „hängen bleiben“ und sich engagieren würden: Die Offene Kirche St. Klara­ kann nicht auf einen großen Stab an Hauptamtlichen zurückgreifen, Ehrenamtliche tragen einen beachtlichen Teil der Arbeit – umso mehr, je weiter sich die Angebotspalette in den letzten Jahren ausgeweitet hat.

Zweimal im Jahr wird die Eucharistie am Samstagabend als Segnungsgottesdienst gefeiert. Der Zulauf ist beachtlich: Das Bedürfnis nach segnender Berührung und nach persönlichem Zuspruch ist mit Händen zu greifen. Die kirchlichen Sakramente haben immer schon die Knotenpunkte des Lebens in einer ritualisierten Form gefeiert, gewürdigt und gedeutet. Der katholische Schatz an Sakramentalien ist reich und vielfältig. Ihn zu bergen und auf die Gegenwart hin fortzuentwickeln ist Aufgabe einer Offenen Kirche.

Ungewöhnliches und Lebensfeiern

Dabei darf es keine Scheu geben, sich auf manches einzulassen, was Stirnrunzeln hervorruft: Bereits mehrmals bot die Offene Kirche St. Klara­ – ursprünglich auf Anregung eines Nürnberger Tierheims – einen „Gottesdienst für Mensch und Tier“ an. Zahlreiche Teilnehmer brachten dazu ihre Tiere mit. Die Resonanz ist jedes Mal beeindruckend, wohl auch, weil die „Bewahrung der Schöpfung“ viele Zeitgenossen, die der Kirche fern stehen, bewegt. Cityseelsorge kann Koalitionen mit denen eingehen, die ein ähnliches Grundanliegen haben.

Dass hier, in Nürnberg, Seelsorge und Kirche gerade an den Schnittstellen und Wendezeiten des Lebens, an manchen Lebensbrüchen ihren Ansatz findet, beweist die große Akzeptanz der sogenannten Lebensfeiern in St. Klara­. Sie haben mittlerweile einen Ruf weit über Nürnberg hinaus. Dahinter verbergen sich einerseits Gottesdienste oder Andachten für Menschen, die in eine bestimmte Altersdekade gerückt sind: Feiern für 30jährige ebenso wie für 40-, 50-und 60jährige. Sie finden jeweils einmal im Jahr statt. Doch ebenso dazu gehören die Segnungsfeiern für „Menschen, die zusammengehören“, also Paare im weitesten Sinn. Sie finden immer am Valentinstag statt, womit gleichzeitig diesem Tag durch den Bezug auf den heiligen Valentin eine zeitgemäß christliche Akzentuierung (zurück)gegeben wird. Gewissermaßen das Gegenstück hierzu ist eine Andacht für Menschen nach dem Bruch einer Beziehung unter dem Titel „Wenn gemeinsame Träume zerbrechen“, gemeinsame gestaltet mit Ehe- und Familienberatungseinrichtungen. All diese spirituellen Feiern stehen jeweils unter einem bestimmten Motto. Zu ihren Gestaltungselementen gehören geistliche Impulse ebenso wie tänzerische oder pantomimische Darbietungen, literarische Texte, Chansons, klassische geistliche wie moderne Musik und persönliche Beiträge von „Betroffenen“. Im Anschluss wird meistens in den Räumen der Katholischen Hochschulgemeinde weiter gefeiert. Und manchmal entstehen sogar neue Kontakte hieraus.

Zeitgemäße Heilige

Im März 2005 veranstaltete die Offene Kirche St. Klara­ erstmals einen St.Patricks-Gottesdienst: Am 17. März trafen sich über 300 Menschen im restlos überfüllten Kirchenraum und feierten bei irischer Musik und in deutscher, irischer und englischer Sprache gemeinsam
mit einem irischen Jesuitenpater den St.Patricks-Day. Anschließend zog die Menge unter Musikbegleitung in einen irischen Pub. Mittlerweile ist aus dieser Feier eine Tradition geworden. Ebenso wie die „nicht ganz übliche Marienandacht“ einmal im Mai unter ökumenischer Beteiligung: Mit Ausdrucktanz, Texten aus der Literatur, geistlichen Impulsen und internationalen Marienliedern wurde versucht, der Gestalt Marias neue Facetten abzugewinnen. Diese beiden Feiern weisen auf eine weitere Akzentuierung in Charakter und Programm der Offenen Kirche St. Klara­ hin: die zeitgemäße Feier von Heiligentagen rund ums Jahr. Dazu gehört auch der Nikolaustag, ebenso der Tag der Kirchenpatronin Klara sowie des Gründers des Jesuitenordens, Ignatius von Loyola. Neu hinzu kam ein französisch-deutscher Gottesdienst zu Ehren der Mystikerin Madeleine Debrel.

Heiligenfeiern wie diese sollen Interesse sowie nicht zuletzt auch Spaß an Kirche und Gottesdienst wecken und klarmachen: Ernsthaftigkeit und Humor, Herz und Verstand, Glauben und Leben widersprechen sich nicht. Die Reaktion vieler Teilnehmer ist jedes Mal ermutigend: Viele werden durch solche Aktionen erst auf die Offene Kirche aufmerksam und finden sich bald auch in anderen kirchlichen Veranstaltungen wieder, nicht nur in St. Klara­.

Räume für die Trauer

Seit 2004 hat sich St.Klara immer mehr zu einem „Raum für Trauer“ entwickelt, der bayernweit in dieser Form wohl einmalig ist: An einer fest installierten Wand für Trauer und Klage rechts neben dem Chorraum können Betroffene von morgens bis abends Kerzen und Bittzettel anbringen. Diese Wand steht auch im Mittelpunkt verschiedener regelmäßiger Trauerfeiern: Jeden letzten Freitag im Monat findet eine thematisch und meditativ gestaltete Trauerandacht statt. Zwischen 50 und 80 Menschen nehmen inzwischen daran teil. Im Dezember, wenn diese Andacht unmittelbar vor Heiligabend angeboten wird, sind es mehr als 100.

Jeden ersten Donnerstag eines geraden Monats findet in der Klarakirche eine Andacht für früh verwaiste Eltern statt, sie trägt den Titel „Herzenskinder“ und wird von einem Team aus Hebammen und Theologen gestaltet. Zweimal pro Jahr veranstaltet die Offene Kirche eine Andacht für Hinterbliebene nach Suizid an: „Du bist gegangen…“. Sie wird von der Nürnberg-Erlanger Selbsthilfegruppe AGUS mit vorbereitet. Im Anschluss an die jeweiligen Trauerfeiern besteht die Möglichkeit zum Gespräch bei einer Tasse Tee oder Kaffee, die von vielen Betroffenen gerne angenommen wird. Parallel zu diesen Andachten werden außerdem zweimal im Jahr Trauerkreis-Seminare gehalten. Für trauernde Kinder neu im Programm aufgenommen ist ein Samstagnachmittag unter dem Titel: „Ich bist da.“

Offen gegenüber Kunst und Kultur der Zeit

Offenheit ist auch gegenüber Kunst und Kultur der Gegenwart angesagt. Ein wesentliches Standbein von St.Klara ist es, künstlerisch-kulturelle Akzente zu setzen, die auf der Höhe der Zeit sind. Die bereits erwähnte karge Ausstattung ermöglicht es dabei, Chor und Kirchenraum immer wieder ein anderes Gesicht zu geben. Junge, auch kirchenferne Künstlerinnen und Künstler sind gerne bereit und fühlen sich geehrt, in St.Klara ausstellen zu können. Die Präsentation ihrer Kunst in einer Kirche finden sie sachgemäßer als bei einer üblichen Vernissage. Bei aller Kirchenferne haben viele von ihnen einen Sinn für das Spirituelle und Rituelle. Die Gemälde oder Installationen sind nicht einfach nur ausgestellt, sie prägen für einige Monate den zentralen liturgischen Ort: Einbindung in die Liturgie, Integration von alt und neu ist gefordert. Einer Pfarrei könnte man dieses jährliche „Umdekorieren“ nicht ohne weiteres zumuten. Eine Citykirche aber muss Zeitgenossenschaft signalisieren, was nicht heißt, jedem Modeschrei nachzulaufen. Große Kunst durchbricht und weitet immer die menschliche Wahrnehmung. Religiösen Traditionalisten wird durch moderne Kunst die Gegenwart zugemutet. Kirchenferne werden stutzig, merken auf und spüren, dass der Glaube nicht einfach von gestern ist.

Konzerte, regelmäßige Dichterlesungen („Literarischer Karfreitag“), Theater-, Tanz- oder Ballettaufführungen, integriert in einen spirituellen Rahmen, finden in St.Klara ebenso ihren festen Platz. Konzerte, gerade mit einer Mischung aus alter und neuester geistlicher Musik, lassen sich so inszenieren, dass Musik nicht nur aufgeführt, sondern zu einem geistlichen Erlebnis wird.

Blues, Film und Politik

Ein Publikum ganz besonderer Art zieht seit mehreren Jahren immer „Blues and Soul for Bethlehem“ am vorletzten Samstag im Advent an: Zur Konzertnacht mit Blues, Soul- und Rockmusik von bekannten Altrockern aus der Nürnberger Südstadt, unterbrochen durch heiter-nachdenkliche Kurztexte, kommen stets bis zu 350 Zuhörer. Menschen, die lange nicht mehr oder noch nie in der Kirche waren, zeigen sich immer wieder fasziniert von dieser Mischung aus Lebendigkeit, Unkonventionalität und unerwarteter Spiritualität.

Mit „Kino in der Kirche“ greift St. Klara­ weitere Formen der Darstellung auf: In Zusammenarbeit mit dem benachbarten städtischen Filmhauskino werden auf großer Kinoleinwand in den eher dunklen Monaten Filme mit religiösen Akzenten in der Kirche gezeigt.

Bei kirchenübergreifenden „Events“ ist St. Klara­ auch mit dabei: Das gilt für die Nürnberger „Stadt(ver)führungen“ ebenso wie für die „Blaue Nacht“ sowie natürlich die „Nacht der Kirchen“ im Frühsommer eines jeden Jahres.

Mit den „ZeitZeichen“ greift St. Klara­ die Tradition der politischen Abendandachten wieder auf: Prominente Redner aus Politik, Gesellschaft und Kirche sprechen innerhalb eines meditativ gestalteten Rahmens zu einem bestimmten Thema in der Kirche und stellen sich anschließend den Fragen der Anwesenden.

In diese Kategorie lassen sich auch die multireligiöse Veranstaltungen einordnen: St. Klara­ ist ein Ort, der auch Vertreter anderer Religionen einlädt, für gemeinsame Anliegen wie zum Beispiel den Weltfrieden oder die Wahrung der Schöpfung gemeinsam die Stimme zu erheben.

„Kneipenkompatibles“ Programm und ignatianische Spiritualität

Soweit möglich, muss eine Citykirche eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit betreiben und sich als einladende Kirche vorstellen. Ansprechendes Programm, regelmäßige Pressearbeit, Präsentation in Kirchenführer und im Internet sind Grundvoraussetzungen. In diesem Sinn hat die Offene Kirche St. Klara­ einen Programm-Folder entwickelt, der „kneipenkompatibel“ ist: Er soll bewusst auch an nichtkirchlichen Orten, beispielsweise in Szenekneipen, Menschen ansprechen. Zeitgemäß und aktuell ist auch die Homepage von St. Klara­. Zahlreiche Presseartikel darin belegen, wie stark die Arbeit der Offenen Kirche beachtet wird.

Bei allen neuen Ideen und inhaltlichen Ausrichtungen muss doch eines klar bleiben: Hauptmerkmal von St. Klara­ bleibt die Spiritualität. Eine biblisch fundierte ignatianische Spiritualität, vermittelt auf der Höhe der heutigen Zeit, ist das eigentliches Markenzeichen der Offenen Kirche. St. Klara­ bildet mit dem angrenzenden Caritas-Pirckheimer-Haus eine Einheit. Im Jahre 1959 vom Jesuitenorden als Jugendhaus errichtet, hat es sich im Lauf der Zeit zu einem Bildungs- und Tagungshaus für alle Altersgruppen entwickelt, das seit 1971 die Diözesanakademie der Erzdiözese Bamberg beherbergt. Auf demselben Gelände befinden sich die Katholische Hochschulgemeinde und die Missionsprokur der deutschen Jesuiten. Durch die Gunst des Ortes ist hier ein vielfältiges Zentrum entstanden. Die Cityseelsorge kann deshalb auf eine gute Infrastruktur zurückgreifen und traditionelle Bildungsarbeit zeitgemäß fortentwickeln.

Zentrale Fragen des Glaubens

Glaubenskurse, Seminare, Einkehrtage, Vortragsreihen, Einübungen in den Glauben stehen auf dem Programm. Im Stil einer Fundamentalkatechese werden zentrale Fragen des Glaubens behandelt. Die Teilnehmer sollen dabei nicht nur fachlich informiert werden, sondern durch Schrift und große Gestalten des Glaubens eigene Glaubensimpulse erhalten. Kirchlich Sozialisierte und Engagierte treffen auf Menschen, die sich ganz neu für den Glauben interessieren. So kann durch menschliche Begegnungen am Rande christliche Kunde weitergegeben werden. Traditionelle Bildungsarbeit wandelt sich so unter der Hand. Sie wird ganzheitlicher. Ohne aufdringlich zu sein, gewinnt sie an missionarischer Kraft. Kirche bekommt dadurch für viele plötzlich ein neues Gesicht: Für so manchen Fernstehenden oder Ausgetretenen sind das überraschende Erlebnisse. Neben diesen Angeboten finden in der benachbarten Katholischen Hochschulgemeinde regelmäßige „Gespräch über Gott und die Welt“ statt, in denen Zweifler und Interessierte Glaubensfragen diskutieren können.

Gerade die zentralen Themen nach Gott, nach dem Glauben, nach Jesus Christus, nach dem Bösen sind es, die Menschen auch heute bewegen. Christliche Kernthemen, ganzheitlich nahegebracht, finden auch heute ihr Publikum. In St. Klara­ wird viel gebeichtet, nicht nur von alten Menschen. Eine beträchtliche Zahl kommt nach Jahren oder Jahrzehnten wieder zum Bußsakrament, sei es vor einer Operation, vor einem Familienfest oder nach einem Erlebnis, das religiöse Fragen neu aufbrechen ließ. Eine ganze Reihe von Beichtenden sucht fortlaufende Begleitung und Hilfestellung. Entsprechend groß ist auch die Nachfrage nach geistlicher Begleitung. Eine Kirche in Bahnhofsnähe, die nicht Pfarrkirche ist, hat natürlich einen Standortvorteil. Das Institut der Beichte sollte jedenfalls nicht vorschnell abgemeldet werden. „Bevor es wächst, lasse ich es euch erlauschen“ (Jesaja). Vielleicht ist eine Citykirche ein solcher Lauschposten, wo man mitbekommt, dass eine erneuerte, nicht moralisch verengte Beichtpraxis ihre Zukunft noch vor sich hat. Neben allen therapeutischen Hilfen hat die Beichte eine spezifische Funktion, die sonst nirgends geboten wird: die sakramentale Zusage von Gottes Liebe angesichts von Schuld und Versagen.

Stadtweites Citypastoral-Konzept

St. Klara­ fügt sich in ein Konzept der City-Pastoral, das die ganze Innenstadt umfasst. Es dürfte nur wenige Städte in Deutschland geben, wo die City so klar umgrenzt der ererbte Mittelpunkt der Stadt ist wie in Nürnberg: Die City ist Touristenmagnet, Konsum-, Kultur- und Flaniermeile; Gaststätten, Kinos und Theater konzentrieren sich hier auf engsten Raum.
Nürnberg ist eine traditionell evangelisch geprägte Stadt, das zeigt nicht zuletzt der Anteil der evangelischen Kirchen in der Innenstadt. Dennoch hat sich das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Protestanten und Katholiken mittlerweile bei jeweils rund 35 Prozent nahezu angeglichen. Das ökumenische Klima ist sehr gut, die Kooperation selbstverständlich. Gremien des Zusammenwirkens haben sich herausgebildet. Beide Konfessionen haben innerhalb der letzten Jahre einen zentral gelegenen Anlaufpunkt eingeweiht, das katholische „Haus der Stadtkirche“ und der „Eckstein“ – das Haus der evangelisch-lutherischen Kirche. Im „Haus der Stadtkirche“, das 1998 eröffnet wurde, sind nicht nur Büros und Konferenzräume untergebracht. Im Erdgeschoss lädt eine offene Cafeteria, das „Fenster zur Stadt“, die vorbeiströmenden Passanten zum Verweilen und zum Gespräch ein. Monatlich schauen dort über 1000 Menschen vorbei und lassen sich zu einer Tasse Kaffee nieder. Wer will, findet kompetente kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ein beratendes Gespräch. Nur durch einen Gang getrennt, gelangt man ins „Fenster zur Welt“, dem katholischen Eine-Welt-Laden, in dem sich die großen kirchlichen Hilfswerke vorstellen.

In der Nürnberger Altstadt wirken zwei katholische, eine reformierte und vier lutherische Kirchengemeinden zusammen. Sie versuchen gemeinsam umzusetzen, dass alle kirchlichen Orte eine City-Funktion haben: Die Bewegung auf die Menschen der Stadt und ihre Probleme zu wird als gemeinsame Aufgabe gesehen. An den Hauptkirchen sind Stellen für Touristenseelsorge eingerichtet. √úbergreifende Anliegen und gemeinsame Aktivitäten werden in den gemeinsamen Gremien besprochen und geplant. Die kulturell und spirituell gestaltete „Nacht der Kirchen“ im Juli ist ein Projekt, das diesen Planungen entsprungen ist. Ein anderes ist das Obdachlosenfrühstück, das die evangelischen wie katholischen Innenstadtgemeinden immer montags reihum anbieten. Ein gemeinsamer Kirchenführer liegt in den Hotels auf. Die Touristenseelsorge an den Hauptkirchen bieten Weg-Veranstaltungen an, die mehrere Kirchen zusammenschließen. Die einzelnen Kirchen entwickeln ihr je eigenes Citykirchenprofil und arbeiten ebenbürtig zusammen. Gerade gegenüber der Kommune ist es von entscheidendem Gewicht, dass die Kirchen geschlossen auftreten. Außerdem entlastet es die einzelnen Teams, dass nicht jeder alles in seinem Angebot haben muss.

Den Gemeinden eine neue Weite geben

Innerhalb der katholischen Kirche sollen die bestehenden Institutionen noch stärker vernetzt werden, nicht zuletzt vor dem Hintergrund leerer werdender Kassen. Ein Resultat ist die „Katholische Innenstadt-Kirche“: Die beiden katholischen Innenstadtkirchen „Unsere Liebe Frau“ und „St. Elisabeth“ haben sich zu einem Pfarrverband zusammengschlossen. Gemeinsam mit der gemeindelosen St. Klara­-Kirche bilden sie einen Seelsorgebereich, der den pastoralen Raum der City noch stärker als Einheit betrachtet. Jede der drei Kirchen bewahrt dabei ihr eigenes Profil. Ein Hauptanliegen ist es, lebendige Gemeinschaften innerhalb der Gemeinden zu bilden. Besonders für Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene, religiös Suchende sind für die gesamte Innenstadt dringend Räume der Gastfreundschaft und Begegnung nötig, die zur religiösen Heimat werden können.

Leitfrage bei allen künftigen √úberlegungen muss dabei sein: Was brauchen suchende Menschen von heute, auf welche Signale warten sie? Die Perspektive auf katholischer Seite ist ein integratives Konzept der Citypastoral. Es hat in den letzten Jahren immer stärker an Profil gewonnen, ist aber noch entwicklungsfähig. Neben den Innenstadtgemeinden mit der Offenen Kirche St. Klara­ gehören die bereits erwähnten Einrichtungen „Haus der Stadtkirche“, Caritas-Pirckheimer-Haus und Katholische Hochschulgemeinde dazu. Die sozialen Einrichtungen von Caritas und sonstigen Beratungsdiensten wären noch stärker mit einzubeziehen. Partnerschaftliche wie organisatorische Kontakte bestehen zur evangelischen City-Seelsorge „Offene Tür“ am Jakobsplatz. Solch ein Prozess lässt sich nicht technokratisch verordnen. Es ist daher nötig, dass sich Gemeinden und Institutionen gegenseitig besser wahrnehmen und vernetzen. Aus der Bewegung zueinander entsteht der Elan für die Bewegung nach außen, auf die Stadt, auf die vielen suchenden Menschen, auf soziale Probleme hin. Diese gemeinsam verantwortete Aufgabe wird die Christen in ökumenischer Perspektive enger zusammenschließen und den Gemeinden eine neue Weite geben.